Die Pflege hat viele Gesichter – vier Persönlichkeiten haben die Geschichte der Pflege jedoch besonders geprägt. Wir stellen Dir die einzelnen Personen im Kurzdurchlauf vor und erklären, was ihre besonderen Verdienste für die Pflege waren und inwiefern sie die Pflege von heute beeinflusst haben.
Theodor Fliedner stellt die Weichen für die Organisation der Pflege
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war die Krankenversorgung ein großer Problembereich. Die Betreuung der Kranken erfolgte durch ungelernte, männliche Krankenwärter. Durch die immer weiter voranschreitenden Erkenntnisse aus der Naturwissenschaft und der Medizin wurde die Notwendigkeit von geschultem Assistenzpersonal unabdingbar. Eine gezielte und gut strukturierte Ausbildung war Fliedners Weg, um das Ziel einer besseren Versorgung der Kranken zu erreichen. Die Ausbildung wurde von einem Arzt übernommen, der die Pflegerinnen in den nötigen Assistenztätigkeiten unterrichtete. [1]
Fliedner, selbst Pfarrer, organisierte die Kaiserswerther Schwesternschaft entlang christlicher Werte. Unverheiratete, unausgebildete Frauen hatten die Möglichkeit, in einer Gemeinschaft des Mutterhauses zu leben. Diese Organisationsform setzt voraus, dass die Frauen ihr Leben in den Dienst des Nächsten stellen. Die Frauen lebten gemeinsam im Mutterhaus und erhielten einen Lohn für ihre Arbeit. Das Mutterhaus war dabei für die gesamte Versorgung zuständig – auch im Ruhestand der Frauen.
Florence Nightingale schreibt mit den „Notes on Nursing“ einen Bestseller
Es ist kein Zufall, dass der internationale Tag der Pflege jährlich am 12. Mai – dem Geburtstag von Florence Nightingale – gefeiert wird. Aufgewachsen in einer wohlhabenden britischen Familie, entschloss sich Nightingale entgegen dem Willen ihrer Eltern dazu, ihr Leben der Krankenpflege zu widmen. Sie durchlief mehrere Praktika und lernte unter anderem auch in der Kaiserswerther Diakonie von Theodor Fliedner.
Als ausgebildete Krankenpflegerin betreute Nightingale zur Zeit des Krimkriegs verwundete britische Soldaten in einem Militärkrankenhaus. Die dortigen hygienischen Zustände waren katastrophal: dreckige und unzureichende sanitäre Einrichtungen, fehlende Körperpflege und Gestank – und das sind nur einige Punkte. Nightingale sorgte für die Verbesserung der Hygiene sowie der Ernährung und setzte sich für die Beseitigung von Versorgungsmängeln ein, was eine sinkende Sterblichkeitsrate zur Folge hatte. Ihr Spitzname „Lady with the lamp“ wurde ihr gegeben, da sie spät abends im Dunkeln mit einer Lampe zu den Kranken kam, um nach ihnen zu sehen. [2]
In Folge dieser Erfahrungen veröffentlichte Nightingale 1860 mit den „Notes on Nursing“ ein pflegetheoretisches Buch, das bereits kurz nach Veröffentlichung in viele Sprachen übersetzt wurde. Die darin ausformulierten „Grundsätze guter Krankenpflege“ haben bis heute einen Vorbildcharakter, womit Nightingale als erste Pflegetheoretikerin gilt. Das Besondere: der Versorgung der PatientInnen kommt eine entscheidende Rolle zu. Sowohl die hygienischen Umstände als auch die Ernährung und eine genaue Patientenbeobachtung seien laut Nightingale die Pfeiler einer guten Krankenpflege.
1860 gründete Nightingale die „Nightingale Training School for Nurses“ mit einem reformierten Ausbildungssystem, das sich durchgesetzt hat. Die Ausbildung dauerte drei Jahre, teilte sich in einen theoretischen und einen praktischen Teil auf und war nicht konfessionell gebunden. [3]
Henry Dunant ruft den Verband des „Roten Kreuzes“ ins Leben
Die entscheidende Reise, die die Entstehung des „Roten Kreuzes“ begünstigte, führte Dunant nach Solferino. Dort wurde Dunant Zeuge der blutigen Kriegsfolgen in der Schlacht zwischen Österreich, Sardinien und Frankreich. Die Tatsache, dass unzählige Verletzte auf dem Schlachtfeld zurückgelassen wurden, veranlasste Dunant dazu, selbst bei der Versorgung der Verwundeten mitzuhelfen und seine Erfahrungen in einem Buch niederzuschreiben. In dem Buch „Eine Erinnerung an Solferino“ appelliert Dunant für eine bessere Versorgung und den neutralen Schutz von Kriegsverwundeten, was in der europäischen Politik großen Zuspruch fand. [4]
Auf einer diplomatischen Konferenz wird das „Genfer Abkommen zur Verbesserung des Loses der Verwundeten auf dem Feld“ unterzeichnet, das die Neutralität des Sanitätspersonals festschreibt. Mit dieser Genfer Konvention wird dem offiziell gegründeten „Roten Kreuz“ im Kriegsfall neutraler Schutz durch die Kriegsparteien garantiert. Zahlreiche Staaten treten der Konvention bei, die auch heute noch – in überarbeiteter Form – in Kraft ist.
Agnes Karll reformiert die deutsche Krankenpflege
„Wer soll uns denn unseren Beruf aufbauen, wenn wir es nicht selbst tun?“ [5] Eine Frage von Agnes Karll an Pflegekräfte, die auch heute aktueller nicht sein könnte. Die Situation der Pflege Ende des 19. Jahrhunderts war geprägt von zahlreichen beruflichen Missständen: Es gab weder ein klar definiertes Berufsbild noch eine geregelte Ausbildung oder gesetzlich definierte Arbeitszeiten; von tariflichen Vergütungen ganz zu schweigen.
Agnes Karll, selbst Pflegerin im Rotkreuzmutterhaus und später als freie Krankenschwester engagiert, brachten diese Umstände zu einer Idee, die die deutsche Krankenpflege reformieren sollte. Zu ihren Zielen gehörten vor allem eine geregelte Ausbildung, die Professionalisierung der Pflege und der Arbeitsschutz der Pflegenden. Außerdem sollte die Pflege als Frauenberuf auch ohne die Bindung an ein Mutterhaus möglich sein. In ihrer Arbeit als freie Krankenschwester, auch „wilde Schwester“ genannt, wurden Krankenpflegerinnen aufgrund der fehlenden konfessionellen Bindung diffamiert und ihre Tätigkeit als Entweihung der Krankenpflege angesehen, da nur Mutterhausschwestern im Allgemeinen als moralisch einwandfrei galten. Ein Zustand, den Agnes Karll verändern wollte.
1903 gründete sich aus einem Zusammenschluss von freien Krankenschwestern die „Berufsorganisation der Krankenpflegerinnen Deutschlands“ (BOKD) in Berlin. Agnes Karll wurde zur ersten Vorsitzenden gewählt und formulierte mitunter die Ziele des Vereins, der für die „Erziehung der Schwestern zur Selbständigkeit“ und die „Befähigung der Mitglieder für eine Mitbestimmung und Mitverantwortung“ einstand. [6] Aus der BO entwickelte sich der heutige Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK). Eine stetig steigende Mitgliederzahl und zunehmende internationale Vernetzung zeigten die Aktualität und Signifikanz der geforderten Themen. 1909 wurde Agnes Karll zur Präsidentin des 1904 gegründeten International Council of Nurses (ICN) gewählt. [7]
Die Professionalisierung des Pflegeberufs
Eine geregelte Ausbildung, tarifliche und angemessene Vergütungen und ein klar definiertes Berufsbild – Reformen, Proteste und die Einrichtung von Berufsorganisationen sind nötige Schritte zu der Professionalisierung des Pflegeberufs gewesen. Dieser Prozess ist aber lange noch nicht abgeschlossen. Auch heute, in Zeiten der Gründung von Pflegekammern und der Generalisierung des Pflegeberufes, bleiben die Ziele von Pflegevisionärinnen wie Agnes Karll und Florence Nightingale unverändert bedeutsam.
Immer noch ist der Pflegeberuf gekennzeichnet durch eine hohe Arbeitsbelastung, das Risiko berufsbedingter Erkrankungen und geringe Mitentscheidungskompetenzen. Alle vier Pflege VIP haben eine Sache gemeinsam: Sie haben mit ihrem herausragenden Engagement viel erreicht. Aktiv und in der Gemeinschaft für Verbesserungen zu kämpfen, lohnt sich, wie der gelungene Protest für den Tarifvertrag „Entlastung“ der Beschäftigten der sechs Universitätskliniken in NRW 2022 gezeigt hat. Also: Nur Mut, Veränderungen sind möglich!