Bandscheibenoperationen gehören zu den häufigsten operativen Eingriffen an der Wirbelsäule.[1] Damit Pflegekräfte PatientInnen mit einem Bandscheibenvorfall optimal betreuen können, ist fundiertes Fachwissen unverzichtbar. Von der genauen Entstehung eines Bandscheibenvorfalls über die typischen Symptome bis hin zu den entscheidenden prä- und postoperativen Pflegemaßnahmen: Hier erhältst Du einen umfassenden Einblick in alles, was Du wissen musst, um Deine PatientInnen professionell zu versorgen.
Was passiert eigentlich?
Wird ein Bandscheibenvorfall diagnostiziert, hat sich der innere Gallertkern der Bandscheibe (Nucleus pulposus) über den äußeren Faserring, der den Gallertkern eigentlich stabilisiert, hervorgewölbt oder diesen sogar durchbrochen. Ein Bandscheibenvorfall kann dabei auf der gesamten Länge der Wirbelsäule vorkommen, am häufigsten tritt ein Bandscheibenvorfall aber an der Lendenwirbelsäule auf.[2]
Ursachen
Ursächlich für einen Bandscheibenvorfall sind die Klassiker „falsches“ Heben, ungenügende oder verhärtete Rücken- und Bauchmuskulatur sowie Übergewicht. Im Alter und bei starker mechanischer Beanspruchung nimmt die Elastizität der Bandscheibe ab. Der äußere Faserring der Bandscheibe wird löchrig und das Risiko für einen Bandscheibenvorfall steigt. Kommt es zu dauerhafter einseitiger Belastung oder einer Kombination aus langem Sitzen, schlechter Haltung und unpassendem Schuhwerk, wird die Wirbelsäule stark belastet. Wenn dann kein rückenschonendes Verhalten oder aktives Rückentraining priorisiert wird, kann sich ein Bandscheibenvorfall manifestieren.[3]
Mehr als Rückenschmerzen: Einen BSV erkennen
Je nachdem auf welcher Höhe der Wirbelsäule ein Bandscheibenvorfall auftritt, unterscheiden sich auch die Symptome.[4]
Liegt ein BSV auf Höhe der Halswirbelsäule vor, verspüren PatientInnen vor allem Schmerzen oder Parästhesien im Kopf- und Nackenbereich, die bis in die oberen Extremitäten ausstrahlen können. Bei betroffener Lendenwirbelsäule verschiebt sich der Schmerzschwerpunkt auf die untere Rückenpartie. Der sogenannte „Hexenschuss“ (Lumbago) wird dabei durch eine starke Muskelverspannung beziehungsweise -erhärtung im gesamten Bereich der Lendenwirbelsäule verursacht. Bandscheibenvorfälle im Bereich der Brustwirbelsäule treten seltener auf und machen sich durch Schmerzen im Thoraxbereich bemerkbar.[5]
Zusätzlich kann es durch Reizung oder Druck auf einen Nerv zu ausstrahlenden Schmerzen oder Parästhesien im Versorgungsgebiet des Nervs kommen. Die besonders starken Schmerzen bei einem Bandscheibenvorfall führen dazu, dass PatientInnen Schon- oder Zwangshaltungen einnehmen.
Achtung, Notfall: Kaudasyndrom
Das Rückenmark ist kürzer als die Wirbelsäule. Ab dem zweiten Lendenwirbel verlaufen dort stattdessen die Wurzeln der lumbalen und sakralen Spinalnerven, um den Wirbelkanal durch ihre jeweiligen Austrittslöcher zu verlassen. Die Wurzeln der Spinalnerven erinnern an einen Pferdeschweif und werden im Fachjargon cauda equina genannt.
Kommt es zu einem ausgeprägten Bandscheibenvorfall in diesem Gebiet, kann die cauda equina komprimiert werden. Je nach Stärke der Schädigung kommt es zu unterschiedlich starken Symptomen. Dazu gehören:[6]
- sehr starke Schmerzen
- Blasen- und Mastdarmstörungen
- Taubheitsgefühl in der Analregion und an der Innenseite der Oberschenkel
- Schlaffe Lähmung beider Beine
Treten diese Symptome auf, wird umgehend das ärztliche Personal informiert. Es besteht das Risiko irreversibler Schäden und damit eine sofortige OP-Indikation.[7]
Einzelfallentscheidung Operation
Sofern keine neurologischen Auffälligkeiten vorliegen, wird ein Bandscheibenvorfall je nach Indikation konservativ behandelt. Zu dem Therapiekonzept gehören die medikamentöse Therapie mit muskelentspannenden und schmerzlindernden Medikamenten sowie die physikalische Therapie unter anderem mit Wärmeanwendungen und Physiotherapie.[8]
Kommt es doch zu einer Operation, ergeben sich besondere pflegerische Aufgabenschwerpunkte.
Präoperative Vorbereitung
Um dem Patienten bzw. der Patientin die Mobilisation und Lagerung nach der OP zu erleichtern, wird diese bereits vor der geplanten Operation erläutert und angeleitet. Besonders relevant ist die Anleitung beim rückenschonenden Bewegen im Bett und die En-bloc-Mobilisation. Nach der Operation kann dann auf dieses Wissen zurückgegriffen werden.
En-bloc-Mobilisation
Das wirbelsäulenschonende Aufstehen geschieht in mehreren Schritten:[9]
- Die betroffene Person befindet sich in Rückenlage und stellt die Beine auf.
- Mit Unterstützung der Pflegekraft dreht sich der Patient bzw. die Patientin in die Seitenlage, ohne dabei den Oberkörper zu verdrehen. Ober- und Unterkörper bilden eine Linie.
- Der Patient bzw. die Patientin schiebt die Fersen aus dem Bett und drückt gleichzeitig mit dem oben liegenden Arm gegen die Matratze. Hierbei stützt die Pflegekraft den seitlichen Rücken der Person.
- Schließlich kommt der Patient bzw. die Patientin an der Bettkante zum Sitzen.
Postoperative Versorgung
Neben den allgemeinen Maßnahmen der Prophylaxen, Vitalzeichen- und Infusionstherapieüberwachung gibt es bei Bandscheibenoperationen bestimmte Parameter, die genauer Beobachtung bedürfen.[10]
- Je nach hausinternem Standard und ärztlicher Anordnung erfolgt postoperativ eine Rückenlagerung zur Komprimierung der Wunde.
- Motorik und Sensibilität werden regelmäßig überprüft.
- Die Blasen- und Mastdarmfunktion wird überwacht, um Komplikationen frühzeitig zu erkennen.
- Verbände werden auf Nachblutungen kontrolliert.
- Bei liegenden Redondrainagen wird zum einen der Sog und zum anderen die Menge und Farbe des Sekrets beobachtet. Wird der Zufluss von Liquor beobachtet, wird umgehend das ärztliche Personal informiert.
- Für die postoperative Mobilisation wird ein Gesamtkonzept im interdisziplinären Team abgestimmt. Eine physiotherapeutische Betreuung erfolgt nach ärztlicher Anordnung. Je nach Operation variiert der Mobilisationsumfang in den ersten Tagen.
Fazit: Zentrale Pflegemaßnahmen interdisziplinär denken
Bei der Versorgung von Bandscheibenvorfällen – sei es konservativ oder operativ – ist das Wissen um die anatomischen und lebensstilistischen Wirkungszusammenhänge wichtig. Dazu gehört auf pflegerischer Seite neben den allgemeinen und speziellen Pflegemaßnahmen auch eine umfassende Beratung beispielsweise für rückenfreundliche Bewegung. Als Pflegekraft betreust Du die PatientInnen von der Aufnahme bis zur Entlassung und gewährleistest damit auch die nachfolgende Gesundheitsförderung.