Schaukeldienste, Überstunden, Erschöpfung – Pflegekräfte arbeiten häufig am Limit ihrer körperlichen und psychischen Kräfte und unterdrücken dabei ihre eigenen Gefühle und Bedürfnisse. Diese selbst auferlegte emotionale Repression kostet nicht nur Nerven, sondern auch Energie. Dass Achtsamkeit und Selbstpflege im Pflegeberuf möglich sind und wie eine Implementierung in der pflegerischen Praxis aussieht, erfährst Du jetzt.
Hilfe auf Knopfdruck
Trinkst Du ausreichend während Deiner Arbeitszeit? In den meisten Fällen lautet die Antwort „nein“. Gerade in helfenden Berufen wie der Pflege sind Pflegekräfte darauf trainiert, die Bedürfnisse pflegebedürftiger Menschen wahrzunehmen und im Rahmen der Möglichkeiten zu erfüllen. Sich selbst lassen sie dabei häufig außen vor. Die Arbeit muss gemacht werden, denn das Telefon und die Patientenschellen stehen nicht still. Vergessen wird dabei nur häufig, dass Pflegende selbst Menschen mit Bedürfnissen sind und keine Maschinen. [1]
Trotzdem unterdrücken Pflegekräfte ihre eigenen Emotionen und Bedürfnisse. Sei es regelmäßiges Trinken, die Toilettenpause oder Gefühle wie Trauer, Wut oder Ekel. Ein erhöhtes Aufkommen pflegebedürftiger Menschen und die reduzierte Zahl von Fachkräften stehen dem Konzept der patientenzentrierten Pflege gegenüber, das in der Praxis häufig nicht umsetzbar ist. Es fehlt nicht nur an Zeit für die Beziehungsgestaltung, ausführliche Beratungen und teaminterne Fallbesprechungen, sondern auch für die persönliche Psychohygiene. Häufige Stressfaktoren in der Pflege sind unter anderem auch: [2]
- Personalausfälle und häufiges, spontanes Einspringen
- Unterbrechungen während der Pflegehandlungen
- Hoher Erwartungsdruck von PatientInnen und Angehörigen, aber auch von sich selbst oder dem Team
- Fehlender Rückhalt im Team
Mehr als Meditation: 5 Tipps für mehr Selbstfürsorge im Alltag
Stressmanagement, Achtsamkeit und Resilienz sind Konzepte, die wohlverdient ihren Platz in der theoretischen Ausbildung gefunden haben, um Belastungssituationen gut gerüstet entgegenzutreten. Auch wenn es viele Pflegekräfte nicht mehr hören können, Selbstfürsorge ist wichtig, um in dem anspruchsvollen Pflegeberuf mental und körperlich gesund zu bleiben. Dabei geht es nicht um Zehn-Sekunden-Mediationen im Dienst oder ein warmes Bad nach einer anstrengenden Schicht. Diese Sachen können hilfreich sein, der Begriff der Selbstfürsorge konzentriert sich jedoch vielmehr darauf, sich aktiv Zeit für Dinge zu nehmen, die Dir helfen, Deine seelische und körperliche Gesundheit zu verbessern.
Aber wie genau funktioniert Selbstfürsorge und wie gehst Du am besten mit permanentem Stress um? Hier haben wir fünf wichtige Punkte für Dich zusammengefasst: [3]
Lass Dich nicht vom Stress anderer anstecken
Eine voll belegte Station, Personalausfall, das dauerklingelnde Telefon, eine Armada von leuchtenden Patientenschellen – und Du hast noch nicht einmal mit deinem Rundgang begonnen. Es gibt Dienste, die verlangen einem alles ab. In solchen Momenten einen kühlen Kopf zu bewahren, ist nicht einfach und erfordert ein hohes Maß an Selbstorganisation. Jeder hat eine andere Grenze für die Bewertung von Stress, und nicht alles, was Dich stresst, stresst auch Deine KollegInnen und umgekehrt. Wenn Deine ArbeitskollegInnen sich wieder gegenseitig hochschaukeln, löst das den vorhandenen Stress nicht auf. Achte darauf, was Du als stressig wahrnimmst und wie Du darauf reagierst. Besonders wichtig im persönlichen Stressempfinden sind Deine eigenen Ressourcen.
Schöpfe Kraft aus Deinen Ressourcen
Unter Ressourcen fallen Kompetenzen und Potenziale, die Dir zur Verfügung stehen, um Krisen zu bewältigen und negative Einflüsse zu reduzieren. Ressourcen können sein:
- Intellektuelle Ressourcen – z. B. Deine Problemlösungskompetenz
- Physikalische Ressourcen, also körperliche Ressourcen – z. B. Deine Koordination
- Psychologische Ressourcen – z. B. Dein Optimismus
- Soziale Ressourcen – z. B. Deine Kontakte zu FreundInnen
Fehlen Dir wichtige Ressourcen, können Situationen häufiger als belastend wahrgenommen werden. Umso wichtiger ist es, sich der eigenen Ressourcen bewusst zu werden, diese aktiv zu mobilisieren und zu stärken. Ressourcen können dabei individuell sehr unterschiedlich sein und müssen nicht mit den Ressourcen anderer übereinstimmen.
Höre in Dich hinein
Die ständige Konfrontation mit Leid, Verlust und Angst ist eine besondere Herausforderung des Pflegeberufs. Professionell mit den eigenen Emotionen umzugehen, muss gelernt werden, denn die Unterdrückung der eigenen Gefühle hinter der Maske der Professionalität kann zu erhöhter emotionaler Erschöpfung und einem gesteigertem Stressempfinden führen. Nimm Deine Empfindungen und Bedürfnisse wahr und verstecke sie nicht. Jeder hat Verständnis dafür, wenn Du Dir eine Trinkpause gönnst – auch im hektischen Pflegealltag.
Gestalte Deine Freizeit bewusst erholend
Endlich Feierabend und es geht direkt weiter mit einer Vielzahl an Terminen? Plane Dir Zeit nur für Dich ein. Was tut Dir besonders gut? Schreibe diese Dinge auf. Sei es ein Hobby, regelmäßiger Sport oder einfach nur den Klängen Deiner Lieblingsband zu lauschen. Notiere Dir diese Zeit für Dich in Deinem Kalender, damit du Dich nicht vergisst.
Wenn du merkst, dass Dir privater und beruflicher Stress zu viel werden, lerne rechtzeitig „nein“ zu sagen. Kenn Deine eigenen Grenzen und respektiere diese. Pausen sind nicht nur im beruflichen Alltag wichtig, denn oft merken wir gar nicht, wie sehr uns Freizeitstress belastet. Daher ist es wichtig, einen Überblick über Termine zu behalten und Ruhepausen einzuhalten. Ein Tagebuch kann Dir durch die regelmäßige Reflektion dabei helfen, den Überblick zu behalten und schneller zu merken, wo der Stress gerade zu viel wird. Genauso wichtig ist es dann auch, rechtzeitig einzugreifen und Stressfaktoren auszuschalten.
Stopp das Gedankenkarussell
Nach der Arbeit an die Arbeit zu denken ist ein No-Go, aber häufig alltägliche Realität. Meistens klinkt sich das schlechte Gewissen noch mit ein, wenn Du merkst, dass Du etwas vergessen oder in der Übergabe ein Detail nicht erwähnt hast. Besonders kompliziert wird es, wenn die Gedanken Dich am Einschlafen hindern. Wenn es so einfach wäre, negative Gedanken zu stoppen, würden wir das sicherlich alle machen. Es erfordert leider ein wenig Übung, das Gedankenkarussell zu stoppen, aber eine gute Nachricht: Es ist nicht unmöglich. Folgende Tricks können Dir helfen, Ruhe in Deinen Kopf zu bringen:
- Die Gedanken ziehen lassen: Stell Dir Deine störenden Gedanken als Wolken vor. Durch die Versinnbildlichung schaffst Du eine Distanz, die Dir helfen kann, die Gedanken einfach weiterziehen zu lassen.
- Meditation üben: Je regelmäßiger Du übst, desto leichter fällt es Dir, Meditationstechniken spontan anzuwenden. Schon wenige Minuten können Dir helfen, Deinen Atem zu beruhigen, Dich runterzubringen und zu entspannen.
- Straßenverkehrsordnung in Deinem Kopf: Rote Ampeln und Stopp-Schilder bremsen nicht nur Autos aus, sondern auch deine Gedanken. Wenn Du aus dem Strudel an negativen Gedanken nicht herauskommst, stell Dir ein Stopp-Schild oder eine rote Ampel vor. Die Signalfarbe zeigt Deinem Gehirn unterbewusst an, dass du Halt machen musst – auch gedanklich.
Fang an, Dich selbst zu pflegen
Der Pflegeberuf ist einer der anspruchsvollsten Berufe, die es gibt. Um den Herausforderungen, die dieser Beruf mit sich bringt, standzuhalten, ist es wichtig, nicht nur die anderen, sondern auch Dich selbst zu pflegen. Die Teilaspekte der Selbstfürsorge können Dich dabei effektiv unterstützen. Und nicht vergessen: Was anderen hilft, kann auch Dir helfen, muss aber nicht. Finde Deinen eigenen individuellen Weg zu mehr Selbstfürsorge und Resilienz, denn Deine physische und psychische Gesundheit werden es Dir danken!