„Das haben wir schon immer so gemacht!“ Wer hat diesen Spruch nicht schon einmal im Pflegealltag gehört? Das pflegerische Fachwissen entwickelt sich schnell und stetig weiter. Neue Erkenntnisse untersuchen den Nutzen von tradierten Pflegemaßnahmen und kommen häufig zu erschreckenden Ergebnissen, denn: Fest eingefahrene Pflegemaßnahmen schaden häufig mehr als sie nutzen. Welche Pflegemaßnahmen out sind, erfährst Du hier.
Eisen und Fönen bei Dekubitus
Was sich nach einem schlechten Scherz anhört, war lange Zeit eine etablierte Pflegemaßnahme bei dekubitusgefährdeten PatientInnen. Die Haut wurde erst mit Eis eingerieben und anschließend trockengefönt. Diese Wechseltechnik sollte die Blutzirkulation im Gewebe verbessern. Stattdessen schädigt die Kälte die Haut und das anschließende Fönen trocknet diese aus. Eisen und Fönen wirkt sich demnach negativ auf die Dekubitusentstehung aus.
Franzbranntwein und Babypuder zur Prophylaxe
Der angenehme und erfrischende Geruch von Franzbranntwein belebt sofort alle Lebensgeister und ist bei vielen PatientInnen und Pflegekräften beliebt. Der hohe Alkoholgehalt im Franzbranntwein trocknet die Haut jedoch stark aus. Eine Behandlung der Haut mit fetthaltigen Cremes oder Salben ist deswegen nach der alkoholischen Einreibung ein Muss – am besten lässt man den Franzbranntwein jedoch ganz aus dem Pflegeschrank verschwinden. Ähnliches gilt für Puder: Jahrelang beliebt – sowohl zur Intertrigo- als auch zur Dekubitusprophylaxe – ist Puder mittlerweile obsolet geworden. Vor allem bei Kontakt mit Feuchtigkeit kommt es zu hartnäckigen Verklumpungen, die die Haut wie Schmirgelpapier reizen und damit mehr Probleme hervorrufen.
Nicht so hilfreiche Hilfsmittel zur Druckreduzierung
Definitiv out sind Felle, Ringkissen und mit Wasser gefüllte Hilfsmittel, wenn es um die Dekubitusprophylaxe geht, denn:
- Ringkissen fördern durch die Beeinträchtigung des Lymphabflusses die Dekubitusentstehung.
- Felle – egal ob synthetisch oder echt – sind schwer zu reinigen und verteilen weder den Druck noch vermindern ihn.
- Wassergefüllte Unterlagen wurden häufig bei der Druckentlastung an der Ferse genutzt. Da die Fersenoberfläche jedoch verhältnismäßig klein ist, kann der Druck durch wassergefüllte Unterlagen nicht wirksam verteilt werden.
Zinkpaste und Melkfett als Allrounder
Der inflationäre Gebrauch von bestimmten Hautpflegeprodukten wurde in der Pflege lange Zeit nicht reflektiert. Untersuchungen zeigen aber, dass insbesondere die Pflegelieblinge Melkfett und Zinkpaste die Poren verschließen und einen Wärmeaustausch fast unmöglich machen. Im Expertenstandard wird eine individuelle Hautreinigung und -pflege empfohlen. Hautschutzprodukte, die die hauteigene Barrierefunktion und Regeneration unterstützen, sind in jedem Falle vorzuziehen. Dazu eignen sich beispielsweise Wasser-in-Öl-Emulsionen.
Die morgendliche Waschung
Im Frühdienst werden alle gewaschen, die nicht um 7 Uhr selbst unter der Dusche stehen. Tägliche Ganzkörperwaschungen können, wenn diese nicht erforderlich sind, die Haut austrocknen und dadurch weitere Pflegeprobleme evozieren. Die tägliche Ganzkörperwaschung raubt nicht nur Pflegekräften viel Zeit, sondern wird häufig auch entgegen der Bedürfnisse und Gewohnheiten der PatientInnen durchgeführt. Dieser in vielen Einrichtungen festgefahrene Standard muss dringend überdacht werden, denn auch in zeitkritischen Situationen oder engen Personalsituationen sollten die Bedürfnisse der PatientInnen beachtet werden.
Zeit sparen, Risiken minimieren, Fachwissen fördern
Fazit: Nicht alles, was man schon immer so gemacht hat, ist auch gut. Das pflegerische Fachwissen wird durch die Professionalisierung des Berufs stetig erneuert. Studien belegen oder falsifizieren den pflegerischen Nutzen von tradierten Maßnahmen und tragen so zu einer wissenschaftlich fundierten Pflege bei. Dank dieser Erkenntnisse weißt Du, dass ein Dekubitus oder ein dekubitusgefährdetes Hautareal nicht gefönt werden sollte!
